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Hallo.

Mein Name ist Okka.
Dieses Blog handelt von
den Dingen, die ich liebe – Büchern, Filmen, Mode,
Beauty, Kochen, Reisen.
Und vom Leben mit meinen beiden Töchtern in Berlin. 
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WIE ES NACH DREI JAHREN KINDERWUNSCH-BEHANDLUNG WEITERGING. EIN SEHR EHRLICHER ERFAHRUNGSBERICHT

WIE ES NACH DREI JAHREN KINDERWUNSCH-BEHANDLUNG WEITERGING. EIN SEHR EHRLICHER ERFAHRUNGSBERICHT

Dana Lungmuss, hellodanane.net

Dana Lungmuss, hellodanane.net

Habt ihr schon wieder einen Kopf für Geschichten, wie ich sie hier normalerweise posten würde? Falls ja, kommt hier eine, die mir sehr wichtig ist. Vielleicht erinnert ihr euch noch an diesen Text: Vor zwei Jahren erzählte Julia Bauer in „Wenn es mit dem Schwangerwerden nicht gleich klappt” von ihrer Kinderwunschbehandlung, ihrem Ärzte- und Gefühlsmarathon, vom ewigen Warten und immer wieder enttäuscht werden. Nun hat sie aufgeschrieben, wie es für sie und ihren Partner danach weiterging.

Anfang 2018 hatte ich vor, eine kleine Pause von der Kinderwunschbehandlung einzulegen. Sie zu nutzen, um mich nach drei Jahren wieder auf mich selbst zu besinnen – zu schauen, was das Leben außer Spritzen und Hormonprotokollen noch für mich bereithielt. Einhalten konnte ich mein Vorhaben nicht. Zwar fühlte ich mich erschöpft und ausgelaugt, konnte aber nicht aufhören, mich zu fragen: „Was, wenn es genau im nächsten Zyklus klappt?“ Trotz vehementen Dagegenhaltens meines Akupunkturarztes. Er war der Meinung, man müsse dem Körper nach einer Fehlgeburt mindestens drei Monate Zeit zur Regeneration geben. Dennoch wagten wir eine weitere ICSI – also den Versuch, eine befruchtete Eizelle in meine Gebärmutter einzusetzen und auf die Einnistung zu warten. Fast schon trotzig war ich davon überzeugt, dass es dieses Mal geklappt hat. Ich spürte ein Ziehen in meinen Brüsten, legte meine Hand auf meinen Bauch und war sicher, den kleinen Embryo irgendwie zu spüren.

Nach einer Woche des Wartens traf mich das mitleidige „Leider hat es nicht geklappt“ der Sprechstundenhilfe am Telefon mit voller Wucht. Ich brach schluchzend zusammen, wollte mich in ein dunkles Loch verkriechen und nie wieder herauskommen.

Nach ein paar Tagen wich das Gefühl einer destruktiven Gleichgültigkeit. Zu Hause schmiss ich meinem Freund permanent passiv-aggressive Kommentare um die Ohren, auch sonst dümpelte ich so durch meinen Alltag. Das Gute und zugleich Anstrengende einer Kinderwunschbehandlung: Man kann sich nie lange Zeit lassen, zu versacken, denn nach ein paar Tagen stellt sich erneut die Frage, ob man es im nächsten Zyklus weiterprobieren möchte – oder nicht. Also saßen wir wieder im Behandlungszimmer unserer Ärztin, und ich versuchte, meine Tränen wegzublinzeln. Wie immer war sie sehr einfühlsam. Sie motivierte uns, dranzubleiben, da mein Körper durch diese erste Einnistung einige Wochen zuvor schon auf dem richtigen Weg sei. Wieder stand die Frage im Raum, ob eine oder zwei befruchtete Eizellen eingesetzt werden sollen. Bislang waren wir uns immer einig gewesen, dass wir es mit nur einer Eizelle versuchen möchten. Nun war es so, als wären die Leitungen zu meinen Gefühlen irgendwo gekappt worden. Alles in mir fühlte sich taub an. Ich sagte: „Wissen Sie was, meinetwegen können Sie mir ruhig fünf Eizellen einsetzen – wird doch sowieso nichts.“ Die Ärztin und mein Partner tauschten einen wissenden Blick. Letztlich einigten wir uns darauf, wieder nur eine zu nehmen. In den Tagen bis zum Transfer setzte ich mir meine Spritzen, machte Yoga und schaffte es irgendwie, mich bis zum geplanten Datum – einem Samstag – wieder etwas zu motivieren. Am Morgen gingen wir in die Arztpraxis. Ich fühlte mich wie kurz vor einer wichtigen Prüfung. Wir waren so nervös, dass wir uns im Wartezimmer über die Dankeskarten der anderen Eltern lustig machten, bei denen es bereits geklappt hatte. Als die Ärztin uns abholte,  war ich einfach nur dankbar für ihre entspannte und warmherzige Art, dankbar, dass sie es schaffte, diesem Akt das Technische und Unpersönliche zu nehmen. Ich weiß noch, wie wir beide unsere feuchten Hände umklammerten und auf den Ultraschallmonitor starrten, als sie den Embryo einsetzte. Gedankenfetzen rauschten durch meinen Kopf: 

Daskönnteunserbabysein.
Ichglaubmirwirdschlecht. Waswenneswiedernichtswird?
Habicheigentlichlippenstiftamzahn?

In der nächsten Sekunde war es auch schon vorbei und wir standen mit einem Medikamentenplan und einem Termin für den nächsten Bluttest vor der Praxis. Die Zeit bis dahin verging recht schnell. Ich kann mich nicht wirklich daran erinnern. Ich weiß aber noch, dass ich in den Tagen vor dem Test eine starke Erkältung hatte und schon deshalb nicht damit rechnete, dass es dieses Mal geklappt haben könnte. Am Dienstag nach Ostern ging ich morgens zum Blutabnehmen in die Praxis – die Arzthelferinnen strahlten mich aufmunternd an und plapperten fröhlich drauflos. In mir fühlte sich alles irgendwie dumpf an. Die Zeit bis zum Nachmittag verbrachte ich am Schreibtisch, mit mir selbst verhandelnd, wann ich endlich die Nummer der Praxis wählen würde. Nachdem ich den letzten Kaffee in mich hineingekippt hatte, tat ich es einfach – ein bisschen wie Pflaster abreißen. Nach gefühlt 60 Minuten Wartezeit hörte ich eine Stimme am anderen Ende der Leitung „Herzlichen Glückwunsch!“ sagen. Aus meinem Mund kam etwas, das klang, als hätte ich einen Wattebausch verschluckt. „Wie jetzt? Und was heißt das?“ Die Arzthelferin lachte und sagte: „Na, Sie sind schwanger! Aber sowas von!“ Der Wattebausch antwortete: „Äh, danke, und was soll ich jetzt machen?“ „Kommen Sie in zwei Tagen nochmal zum Bluttest in die Praxis. Schönen Tag noch.“ Ich starrte auf meinen Bauch. Mit einem Mal fühlte es sich an, als würde mein Herz gleich aus dem Brustkorb hüpfen. Das soll der Moment sein, der mein, der unser Leben völlig auf den Kopf stellt? Ab dem nun endlich alles anders wird?

Ich drückte auf die Kontaktliste meines Telefons, aber mein Partner ging nicht ran. Dann öffnete ich WhatsApp und schickte ihm das Emoji mit dem kleinen Hühnchen in der Eierschale und eine Rakete. Fünf Minuten später klingelte mein Handy. „Ich bin schwanger“ sagte ich. Und er nur: „Ich weiß!“. Ich konnte hören, wie er dabei bis zu den Ohren grinste. Den Rest des Tages verbrachte ich damit, seltsame Dinge in meinen Computer zu tippen und wieder zu löschen. Als mein Partner am Abend nach Hause kam, fielen wir uns noch im Flur in die Arme. Auf diesen Moment hatten wir drei Jahre lang gewartet.

Drei Jahre voller Hoffen, Bangen, Tränen, noch mehr Tränen, Enttäuschung, Streit und Erschöpfung. Ich dachte immer, sollte es endlich klappen, würde sich der Himmel öffnen. Irgendwo würden Geigen spielen und ich könnte gar nicht aufhören zu tanzen. Nichts davon war der Fall. Schlagartig setzte
Panik bei mir ein.

Dass es jetzt doch wieder nicht bleiben möchte. Dass alles nur ein Irrtum war. Oder ein Riss im Boden unserer Wohnung entsteht und uns mit in den Abgrund reißt. Ich dachte alles mögliche, bloß nie, dass dieses Mal alles gut gehen könnte.

Ist es aber doch.

Dana Lungmuss, hellodanane.net

Dana Lungmuss, hellodanane.net

Im Dezember 2018 wurde unsere kerngesunde kleine Tochter geboren. Die Zeit bis dahin und alles, was danach kam, war so vollkommen anders, als ich es mir jemals ausgemalt hätte. Schaue ich zurück, erscheint mir die Schwangerschaft als eine Melange aus Wahnsinnsmomenten – der erste Herzschlag, das erste Strampeln im Bauch, der Klang der Spieluhr, die wir jeden Abend auf meinen Bauch legten, die 3D-Bilder, auf denen man erkennen konnte, dass das Baby am Daumen nuckelte, die granitbrockengroße Erleichterung, als der Arzt uns sagte, dass unsere Tochter gesund sei, der Anblick der ersten winzigen Klamotten, die wir für sie ausgesucht haben – aber auch Emotionen und Erfahrungen, die ich so nicht kannte. Jähe Panik, die mich nachts aus dem Schlaf schrecken ließ, vor Horrorszenarien von Totgeburten, panische Anrufe in der Arztpraxis, mit der Frage, ob ich vielleicht Fruchtwasser verlieren könnte, Urlaubstage, die ich festgetackert auf der Strandliege verbrachte, weil ich Angst hatte, ins Wasser zu gehen, wo ich mir eine Blasenentzündung holen könnte. Wie schon während der Kinderwunschbehandlung stand ich wieder auf dem Zehn-Meter-Brett und musste mich entscheiden: Springen und einfach vertrauen oder verkrampft und panisch durch mein restliches Leben als Mutter gehen? 

Mit jedem Tag, den die Schwangerschaft fortschritt, lernte ich mehr loszulassen und – noch wichtiger – mich einzulassen. Die Verbindung zu dem kleinen Leben in mir wurde stärker und stärker. Ich entschied mich, daran zu glauben, dass dieses Kind sich genau mich als Mama ausgesucht hatte und uns das niemand mehr nehmen konnte. Ich kann mich an einen Tag erinnern, mein Bauch war schon riesig, ihre kleinen Hände kitzelten mich von innen und ich redete in Gedanken mit ihr: „Kleine, ich schwöre dir bei allem, was mir heilig ist: Ich werde dich gesund auf diese Welt bringen.”

Das tat ich auch. Als man mir das Baby nach dem Kaiserschnitt auf die Brust legte, starrte ich sein verquollenes Gesichtchen und seine staksigen, dünnen Beinchen an und wurde geflutet von Emotionen. Die Liebe war einfach da. Und von einem so unvorstellbaren Ausmaß, dass ich es schwer in Worte fassen kann. Aber – und es ist mir sehr wichtig, das zu schreiben – neben dieser Liebe gab es auch noch unzählige andere Gefühle, von denen man nicht oft zu hören bekommt.

Die meisten Berichte von Frauen, die auf natürliche Art nicht schwanger werden können, enden an diesem Punkt: Das heißersehnte Wunschkind ist da! Die ersten Tage und Wochen nach der Geburt waren aber nicht einfach.

Ein hormonelles Auf und Ab, Schlafentzug, der eigene Körper, der nicht tut, was man von ihm erwartet – all das, was viele Neu-Mütter empfinden. Ich war einfach nur überlastet mit einem vor Bauchschmerzen schreienden Baby, das sich nicht beruhigen ließ, und von der unerbittlichen Pausenlosigkeit dieses neuen, so vollkommen anderen Lebens. Ich schämte mich für den Wunsch, mein altes Leben zurückhaben zu wollen. Wie konnte ich so etwas nur denken? Nach allem, was wir auf uns genommen hatten, um dieses Baby zu bekommen? Ich ertappte mich bei der Frage: Hätte ich all das früher gewusst, hätte ich dann genauso gehandelt? Ich fühlte mich wie die größte Versagerin. Wie war das doch gleich? „Pass auf, was du dir wünscht, es könnte wahr werden“? Die Tage verstrichen. Zwischen Wochenbett, Drei-Monats-Koliken und Quarkauflagen, schlich sich immer öfter die Gewissheit, dass ich das ganze Mutterding doch irgendwie hinbekommen könnte. Manchmal lag ich nach dem Stillen nachts wach, lauschte dem Schnarchen meiner Tochter und begriff, dass sie meine Chance ist – die Chance, zu überprüfen, wen oder was ich in mein Leben lassen möchte, was mich nährt oder was mich nur Kraft kostet. 

Es dauerte noch Monate, bis mir dämmerte, dass ich mich in den letzten Jahren selbst verloren hatte. Lange Zeit drehte sich alles in meinem Leben um Zykluskalender, Arzttermine, Spritzenpläne und das Auf und Ab zwischen zaghafter Hoffnung und abgrundtiefer Enttäuschung. Wöchentlich wurde mein Körper untersucht, beurteilt und gesteuert.

Der nächste Transfer steht an? Du meidest besser die Party, auf der die Freundin zu Gast ist, die gerade Magen-Darm-Grippe hatte. Du steckst in der Endphase eines Projektes? Erfinde mal schnell eine plausible Ausrede für den Kunden, warum du die Abgabe um ein paar Tage verschieben musst. Du schleichst dich auf die Toilette, um dir pünktlich deine Spritze setzen zu können und überlegst dir vorher, wo du das kleine Mäppchen unauffällig kühl lagern könntest. Du lügst Leute an, die dich am anderen Ende der Stadt vor der Kinderwunschpraxis treffen und dich fragen, was du hier machst. All diese Dinge führten dazu, dass sich jegliche Leichtigkeit in Luft auflöste. Ich hatte verlernt, die Dinge einfach mal laufen zu lassen. Dass ein Körper auch dazu da ist, ganz ohne ein Ziel Lust empfinden zu können. Dass nicht ständig irgendetwas geplant, gesteuert und bewertet werden muss. 

Als das Baby dann auf der Welt war, war ich vor allem Mutter. Die eigenen Bedürfnisse rücken eine ganze Weile in den Hintergrund. Dir fällt erst gegen Mittag auf, dass du den ganzen Vormittag mit offener Hose herumgelaufen bist, weil du vor drei Stunden aufs Klo gehen wolltest. Du bist Milchbar, Kuschelkissen und Bespaßungsmaschine. Daneben gibt es ja auch noch einen Partner, der sich eine ebensolche an seiner Seite wünscht. Du bist stattdessen einfach nur froh, wenn du deinen müden Körper abends aufs Sofa werfen kannst und sich nicht noch jemand an deinen Brüsten zu schaffen macht. Langsam aber sicher, gegen Ende der Elternzeit, begann ich, mir selbst wieder etwas Platz in meinem Leben einzuräumen. Plötzlich war da das Bedürfnis, mich auf die Suche nach mir selbst zu machen. Wer war ich jetzt als Mensch, als Mutter, als Partnerin? Was waren nochmal meine beruflichen Ziele? So lange lagen all diese Fragen auf Eis, nach hinten gedrängt durch Wichtigeres. Nun schoben sie sich nach vorne und setzten eine Kraft frei, die ich schon lange nicht mehr gespürt hatte. So lange hatte ich rein gar nichts in meiner Hand. Nicht einmal die Geburt, die aus bestimmten Gründen ein Kaiserschnitt sein sollte. Da fühlte es sich so unglaublich gut an, dass es endlich einmal nur an mir lag, mein neues Leben zu gestalten.

Heute vergeht kein Tag, an dem ich nicht unbeschreiblich dankbar für dieses Wunder bin. Denn das ist meine Tochter wirklich für mich. Ich bin mir bewusst, dass es das größte Geschenk meines Lebens ist, Mutter dieses wunderbaren kleinen Mädchens sein zu dürfen. Es gibt Momente, da liegt sie nach dem Toben in meinem Arm, wir sehen uns in die Augen und irgendetwas in mir schwappt einfach über. Es ist die krasseste Liebe, die man sich vorstellen kann. Und endlich macht sie mir keine Angst mehr, sondern gibt mir Kraft für all das, was noch vor uns liegt.

Diesen Text hat Julia Bauer geschrieben. Sie arbeitet als Texterin, Projektmanagerin und freie Lektorin, vor allem für Kochbücher. Für den Dumont Verlag hat sie zum Beispiel die deutschen Nigel-Slater-Bücher lektoriert. Julia lebt mit ihrer Familie in Berlin. Ihre Website findet ihr unter: julia-bauer.berlin

Ein riesengroßes Danke für die wunderschönen Illustrationen zu diesem Text geht an Dana Lungmuss. Sie ist Illustratorin und Grafikdesignerin. Mehr über ihre Arbeit findet ihr unter hellodanane.net oder auf Instagram.

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